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06.09.2014

Vorab… (zum Olivenöl) 2

Das Thema Olivenöl stellt eines der abgedroschensten Themen in der italienische Küche überhaupt da, und vieles davon wird aus rein wirtschaftlichem Interesse mit unvollständigen Informationen in den verschiedenen Medien kommuniziert. Olivenöl ist immer noch ein bedeutendes Wirtschaftsgut im Mittelmeerraum und wie häufig steht die erzeugte Menge im krassen Gegensatz zur erreichten Qualität. Auch hier gilt: Sorgfalt bestimmt das Ergebnis...



Auch in Italien ist Olivenöl ein regionales Produkt, das in vielfältigen Ausführungen und Qualitäten ausgebaut wird. Industriell wird es genauso gefertigt, wie es von Kleinstproduzenten hergestellt wird, teilweise in Manufakturbetrieben, wo Bauern sich ihr eigenes Öl im Lohnauftrag auch in Geringstmengen pressen lassen können. Die stark ausgeprägten Unterschiede in klimatischer Hinsicht und Bodenbeschaffenheit lassen sich in unterschiedlichen Olivensorten festmachen. Dazu kommen teilweise einzigartige geografisch Bedingungen, die eine maschinelle Ernte komplet ausschließen oder sogar begünstigen können. Man kann davon ausgehen, dass deshalb die Öle Süditaliens einen völlig anderen Geschmack erreichen, als die nördlichsten Sorten, die auch jeweils zu anderen Jahreszeiten geerntet werden. Ich vermute deshalb, das ein authentischen Rezept aus Umbrien, zwangsläufig mit regionaltypischen Ölen zubereitet wird. Genauso geschieht es auf Sizilien und auch auf Sardinien. Ich persönlich ziehe das ligurische Öl aus der kleinfruchtigen Taggiasca-Olive allen anderen vor, welches auschließlich bei vielen kleinen familiengeführten Ölmüllern der Region seit Jahrhunderten in Handarbeit ausgebaut wird. Die steilen Hanglagen und das besondere Klima bestimmen nachhaltig somit das Ergebnis. Dadurch erreicht es eine Extremqualität, die sich nicht effizient mit Maschinen rationalisieren lässt. Die Ergebnisse sind einmalig was Geschmack, Aroma und Inhaltsstoffe angeht, – aber bei Leibe kein Sonderangebot, 18 EUR für einen Liter PrimOlio. Verglichen mit der Industrieware ist das ein stolzer Preis, aber nach Aussagen eines befreundeten Frantoio (alteingesessener Name für Ölmüller in Ligurien) Giovanni Batista Panizzi, immer noch an der Grenze der Selbstausbeutung, wenn man die unglaubliche Arbeit bedenkt.

Taggiasca Oliven


In Italien selbst ist ein gewisser Anspruch an die Qualität landesweit meistens erhalten geblieben, jedoch hierzulande wird inzwischen gerade mit Olivenöl und der Unbedarftheit der Käufer gutes Geld mit teuren Etiketten verdient. Vielleicht ein kleiner Anhaltswert, der eine Verkostung nicht überflüssig werden lässt: ein gutes handwerklich hervorragend gepresstes Öl ist immer trüb. Ist es geklärt, wurde es gefiltert um die Bittersubstanzen zu entfernen, die durch nachlässige Pressvorbereitung entstehen. In der Umkehrung bedeutet ein trübes Öl, das sämtliche Holzanteile wie Blätter, Stiele, etc. vor dem Pressen aussortiert wurden um einen optimalen Ph-Wert zu erzielen und damit die Bitterstoffe gar nicht erst entstehen zu lassen und trotzdem ein nährstoffreiches Öl zu produzieren. Vieles was ein gutes Olivenöl über seinen Geschmack hinaus so wertvoll macht, wird mit der Filterung somit auch entfernt.



Es muss jeder selbst über die Qualität seines verwendeten Öls entscheiden, deshalb sind in den Rezepten qualitative Angaben zu Öl entfernt worden. Ebenfalls sollte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, das der allgemeine außeritalienische »Ultra-Extra-Extra-Vergine-Wahn« seine Stilblüten vor allen Dingen dann vorrantreibt, wenn mit solcherart kaltgepressten Ölen gekocht und gebraten wird. Somit wird das vermeintlich »kaltgepresste«Öl höheren Temperaturen und damit Zerfallsprozessen ausgesetzt ist, als jene im Pressvorgang unter heissem Dampfdruck. Ein solches sogenanntes »Olio di Oliva« ist, wenn es immer noch handwerklich aus ganzen gepressten Oliven hergestellt wird, in der italienischen Küche der Standart für den erhitzten Einsatz beim Kochen. Ich bitte aber dieses Öl nicht mit den industriell hergestellten Fabrik-Ölen zu verwechseln, bei denen die bereits zweimal durchgepressten Pressabfälle von den Manufakturen an die Großhersteller verkauft werden. Diese kaufen nun inzwischen auch aus sämtlichen anderen Ländern solcherart Abfälle zusammen, um damit im Thermodruckverfahren tonnenweise unter Zugabe von gepressten Oliven das gängige günstige Olivenöl (durch die Zugabe darf es sich so nennen nach EU Richtlinie) für unsere Supermärktketten zum Billigpreis zu produzieren (4 EUR/l sind als Verkaufspreis dann auch mit hoher Renditeerwartung und Gewinnspanne machbar). Dann wird noch ein schön italienisch klingender Name gesucht und fertig ist das in der Werbung als italienisches Familienprodukt beworbene spanische Industrieöl "Embotellado en España" aus 80% tunesischen Oliven, "hergestellt vorwiegend aus Oliven des Mittelmeerraums", wie es so schön nichts sagend auf den Flaschen gekennzeichnet ist. Auch die Mafia hat längst erkannt das man mit einem "Olio Extra Vergine" aus Italien Millionen verdienen kann, schon gar wenn man günstig gekaufte Öle aus imageschwachen Ländern tonnenweise als italienisch umlabelt.
Einige Produktionszahlen sprechen eigentlich alles aus, was man längst vermutet. Spanien ist mit gut 1,5 Mio. Tonnen der grösste Produzent von Olivenöl, aber mit 17% Eigenverbrauch der Weltproduktion vergleichsweise bescheiden. Italien verbraucht 28% der Weltproduktion, produziert aber nur ein halbe Million Tonnen Öl. In Italien werden Lebensmittel eben nur exportiert wenn sie dort niemand will.

Wie gut ein Olivenöl wirklich ist, riecht man im ersten Moment seiner Erwärmung bei etwa 60°C. Die dann gelösten Aromen geben dem Kenner eindeutigen Aufschluß über die Qualität seines Öls. Ein höchstwertiges kaltgepresstes Öl zeigt dabei eine richtig ausgeprägte florale Blume im Aroma, während häufig die Industrieöle richtiggehnd stinken. So verwundert es nicht, das die meist familiär geführten Kleinbetriebe seit Jahrzehnten an den einflußreichen Lobbyisten der Großindustrie scheitern, ein Quälitätsbezeichnungs- und -herkunftssystem einzuführen, ähnlich wie es in der Weinproduktion üblich ist. Solcherart Probleme mit lobbygesteuerter EU-Politik sind inzwischen bei den meisten qualitativ hochwertigen Produkten regional einzigartiger Lebensmittel bekannt, beim Fleisch, beim Käse, beim Gemüse und auch beim Wasser, aber das ist dann schon wieder ein eigenes umfassendes Thema wert.

Mit unserem Verhalten als Verbraucher besteht die einzige Chance dem Machtstreben der Multis und ihren umtriebigen Flüsterern in den EU-Parlamenten Einhalt zu gebieten. Die Multis werden weiterhin ihre Interessen nachdrücklich vertreten lassen und damit weiteren unwiderruflichen Schaden an der Vielfalt unserer Kultur vorantreiben. So liegt gerade in der bewussten Minderung von Qualität ihrer Nahrungsprodukte ein angestrebter geldwerter Renditevorteil, der sich in seiner Wirkung fatal auf regionale Traditionen auswirkt.

Bald gibt es die nächsten Rezepte, Volker

Wer sich mit dem Thema ausführlich beschäftigen möchte, kann hier umfangreiche Informationen erhalten: http://primolio.blogspot.it

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